Mittwoch, 27. August 2014

Zwischen lauten Hupen und netten Menschen




Strahlend blauer Himmel, Palmen wohin das Auge reicht, die Kuppel des hinduis
tischen Tempels in der Ferne und eine warme Brise – dies ist die Kulisse, die uns allmorgendlich empfängt. Das anfängliche Gefühl der Fremde legt sich langsam und macht Platz für ein Gefühl des Wohlbefindens.
Ständige Stromausfälle und Wasserknappheit, welche auf eine lange Dürreperiode zurückzuführen sind, stellen für uns kein Problem mehr da. Wenn es heißt „water is not coming“, dann wartet man ein paar Stunden und wäscht dann seine Wäsche – man lernt, sich an die Gegebenheiten anzupassen.
Trotzdem begegnen uns täglich neue Herausforderungen: Das erste mal auf uns allein gestellt durch Velankanni, um ein bisschen zu schlendern, Obst zu kaufen und die Gegend zu erkunden hat uns viele Nerven gekostet, aber auch viele positive Eindrücke beschert. Man steht verloren am Straßenrand, weiß nicht in welche Richtung man zuerst schauen soll, weil man das Gefühl hat, die Autos kommen von überall her. Lautes Hupen, Passanten, die einen beobachten und Kühe, die sich todesmutig vor einem über die Straße trauen – all das trägt zur anfänglichen Überforderung bei.
Dieses Gefühl kann schnell wieder verfliegen, wenn man beim Kauf von ein paar Bananen durch ein freundliches Lächeln und ein paar nette Worte wieder ein wenig Sicherheit zurückgewinnt.
Das Bild der Straßen ist geprägt von einem sehr hohen Männeranteil, was einem zu Beginn ein Gefühl der Beklemmtheit bescheren kann. Gerade als Europärerin lenkt man viele Blicke auf sich - diese Aufmerksamkeit die ausschließlich auf unsere Äußerlichkeiten zurückzuführen ist, empfinden wir sowohl als positiv als auch als negativ. Für uns ist es schwierig nachzuvollziehen, dass eine helle Hauptfarbe als absolutes Schönheitsideal gilt. Gerade im Alltag taucht das Thema häufig auf - es wird sich gegenseitig „diskriminiert“ und versucht, mit chemischen Mitteln aktiv die Hautfarbe aufzuhellen.
Dies kommt uns besonders absurd vor, da unser Schönheitsideal im kompletten Gegensatz dazu steht.

Hier im Projekt haben wir immer mehr das Gefühl, unseren Platz zu finden und mehr Verantwortung übertragen zu bekommen. Mittlerweile stellen wir in unseren Augen weniger Last dar und können aktiv im Alltag mitwirken.
Die Kinder sind uns schon sehr ans Herz gewachsen und wir freuen uns darüber sie immer besser kennen lernen zu können. Das schnellste, was man hier zurückbekommt ist Zuneigung.



Sonntag, 17. August 2014

Gastfreundschaft



Unser erster Blogeintrag handelt von der Gastfreundschaft, die uns in Indien seit dem ersten Tag begleitet und stark beeindruckt hat.
Das Wort „Gastfreundschaft“ beschreibt die Offenheit, die uns entgegengebracht wurde am treffendsten, da man als Gast ankommt und als Freund willkommen geheißen wird.
Vom ersten Moment an wurde uns mit Herzlichkeit und Unvoreingenommenheit begegnet und gezeigt, dass es den Menschen wichtig ist, dass wir uns wohlfühlen.
Eine unserer besonderen Erfahrungen war der Besuch des hinduistischen Tempels Isha bei Coimbatore, der unseren Eindruck dieser indischen Tugend mehr als bestätigte.  Die besondere Atmosphäre entstand dadurch, dass keine Bewertung von Religionszugehörigkeit, Herkunft und Geschlecht vorgenommen wurde und jeder eingeladen war, der Gemeinschaft auf seine Art und Weise beizuwohnen.
„All are welcome“ – Zitat von einer Tafel vor einem Meditationsraum im Tempel.
Dieses Zitat beschreibt viele unserer Erfahrungen der letzten 1 1/2 Wochen und selbst die Sprachbarriere, welche wir anfangs als Hindernis glaubten, stellt kein Problem dar, denn ein Lächeln sagt oft mehr als 1000 Worte.
Der Ausblick aus dem Busfenster, von dem man einen Einblick in fast jedes Wohnzimmer gewinnen kann ist ein weiteres Zeichen der Gastfrreundschaft, denn die Haustüren sind stets geöffnet – es könnte ja jederzeit ein Gast vorbeikommen..
Auch die abendliche Begleitung zur Wohnungstür (inklusive Kindern und Hund), importierte Äpfel, die stetige Sorge um unsere Gesundheit und unser Wohlergehen und das Bemühen, das Essen so mild wie möglich zu machen, sind nur ein paar Beispiele für die Großzügigkeit und die Nächstenliebe, die uns entgegengebracht wird.
Allein die Neugierde der Kinder und deren unbekümmerter Umgang mit uns als noch Unbekannte, beeindruckt uns stark und veranlasst uns dazu, uns wohlzufühlen und deutsche Gewohnheiten zu hinterfragen.
In dem Indien, welches wir bis jetzt kennenlernten, zählen Werte wie gemeinsames Zeitverbringen, sich gegenseitig zu schätzen und sich Aufmerksamkeit zu schenken.
Dies gibt uns den Eindruck, dass die Gesichter der Menschen Warmherzigkeit, Zufrieden- und Bescheidenheit ausstrahlen. Abgerundet wird dieser durch ein offenes Lächeln, welches viele Menschen hier auf ihren Lippen tragen.


Unser Projekt - Peace Trust

Strahlemann Peace and Support Center 
in Nagapattinam

Entstehung
Das Kinderheim in Nagapattinam ist ein gemeinsames Projekt der Strahlemann-Initiative „Zukunft für Kinder“ e.V. und der Karl Kübel Stiftung. Das Kinderheim wird von der indischen Nichtregierungsorganisation (NGO) Peace Trust geleitet, welches sich schon seit 1984 für bessere Lebensbedingungen in Tamil Nadu einsetzt. Ziel ist es, die Lebenssituation von benachteiligten Kindern und Jugendlichen durch Bildung zu verbessern. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf der Unterstützung von Mädchen.

Der Distrikt Nagapattinam, im Bundesstaat Tamil Nadu, war das am stärksten von der  Flutwelle 2004 betroffenen Gebiet Indiens.

Kinderheim
Das Kinderheim wurde 2005 gegründet und bietet Kindern, die aufgrund des Tsunamis ihre Eltern verloren haben, ein neues zu Hause.
Der Alltag der Kinder ist maßgeblich von den täglichen Schulbesuchen und Schulaufgaben geprägt. Freizeit und Beteiligung am Haushalt gehören auch zu den Aktivitäten der Kinder. Am Wochenende werden oftmals Workshops angeboten, welche  den Kindern Themen wie Kinderrechte näher bringen sollen, und den Wunsch nach einem eigenen Kinderparlament mit sich brachten.  
Ein besonderes Anliegen ist es, die Englischkenntnisse zu verbessern. In den Sommerferien bestand die Möglichkeit an einem zweiwöchigen Englischkurs teilzunehmen, welcher unter dem Motto „Let us speak English“ stattfand.
Auch für die Gesundheit der Kinder wird gesorgt. Diese werden in regelmäßigen Abständen untersucht.

Open School
Ein weiterer Bestandteil des Projekts ist die „Open School“.
Dort haben Schulabgänger und Jugendliche, die ihren Abschluss nicht geschafft haben, die Möglichkeit, entweder den Abschluss der 10. oder der 12. Klasse nachzumachen.

Förderzentren in Dorfgemeinschaften
Es existieren 5 Förderzentren „Village Child Development Centers“ mit jeweils rund 40 Kindern. Insgesamt werden 200 Schulkinder im Alter zwischen 5-15 Jahren jeden Tag 2 Stunden unterrichtet.

BERUFSBILDUNGSZENTRUM
Das Bildungssystem Indiens weist Fortschritte in der Einschulungsrate auf. Doch dieses qualitativ zu verbessern ist eine große Herausforderung. Ganz besonders die berufliche Bildung ist weitgehend vernachlässigt - gerade 2% der Schulabsolventen und 7% der arbeitenden Bevölkerung erhielten eine Berufsausbildung.

Der Distrikt Nagapattinam ist überwiegend ländlich geprägt. Ein Großteil der Einwohner verdient seinen Lebensunterhalt durch Landwirtschaft. Diese wird jedoch schlecht entlohnt. Die Menschen haben jedoch kaum eine Alternative und das Schulsystem hilft nur bedingt, die Situation zu ändern. Denn dieses orientiert sich kaum an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes.
Kinder werden kaum ermutigt, sich weiter zu qualifizieren. Dies trifft gerade Mädchen besonders hart – oftmals ist ihre einzige Möglichkeit jung zu heiraten, Haushalts- und Feldarbeit zu leisten.
Dieses Problem wird zusätzlich verstärkt, da Bildungszentren vornehmlich in Städten verortet und zu teuer sind.  
Eine Bedarfsanalyse ergab jedoch, dass gerade in ländlichen Gebieten ein hoher Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften besteht. Bereiche wie beispielsweise: Schneider-, IT-Fachkräfte und Mechaniker sind gefragt.

Diese Situation führt zur Entstehung eines neuen Projektes, welches Ende 2014 anlaufen soll:
Ein Ausbildungszentrum, welches auf die Bedarfsanalyse abgestimmt ist. Zielgruppe sind benachteiligte Jugendliche zwischen 15 und 20 Jahren, denen finanzielle Mittel bisher für eine qualifizierte Berufsausbildung fehlten. Auch hier liegt wieder ein besonderes Augenmerk auf der Förderung junger Mädchen. Dieses Projekt hat das Ziel, die Lebenssituation junger Menschen nachhaltig-langfristig zu verbessern.